Suizid-Drama oder Horror-Thriller? Der Roman "Das böse Buch" aus der Feder von Kai Erik kann sich nicht so recht entscheiden. Viel zu spät driftet der finnische Autor schließlich ins Mystery-Genre ab und bringt seine Geschichte übereilt zum Abschluss. Mehr...

Das böse Buch bringt Wahnsinn und Tod
© Pekka Holmström / Bastei Lübbe

Suizid-Drama oder Horror-Thriller? "Das böse Buch" aus der Feder von Kai Erik kann sich nicht so recht entscheiden.

"Das böse Buch" ist bereits der dritte Roman des finnischen Autors und Comedians Kaj Korkea-aho, der außerhalb seiner Heimat den simpleren Künstlernamen Kai Erik trägt. Bei dem Mystery-Thriller handelt es sich um seine erste Veröffentlichung in Deutschland. Thorsten Alms zeichnet sich für die Übersetzung aus dem Finnlandschwedischen verantwortlich.

Die Geschichte spielt an der Universität in Åbo (im Finnischen: Turku), einer als kalt und dunkel beschriebenen Stadt an der Südwestküste Finnlands. Literatur-Professor Mickel Backman trifft es in einer seiner Vorlesungen wie ein Schlag: Der Student Pasi Maars kündigt an, seine Semesterarbeit über den Dichter Leander Granlund zu schreiben.

Dieser brachte es in den 1920ern nicht einmal zu einer offiziellen Veröffentlichung. Allerdings geriet der offenbar psychisch gestörte junge Mann in die Schlagzeilen, weil er seine Familie und zahlreiche Gäste bei der Hochzeitsfeier seines Bruders vergiftet haben soll. Danach beging er Selbstmord.

Die Legende um Leander Granlund

Die düstere Legende um Granlund weckt in Backman Erinnerungen an traumatische Erlebnisse während seiner eigenen Studienzeit. Bis heute leidet er körperlich und seelisch darunter. Daher will er Pasi unbedingt dazu bewegen, ein anderes Thema zu wählen. Doch der Student wirkt fest entschlossen und lebt ohnehin in seiner ganz eigenen Welt. Wenn er nicht in seinem Zimmer über Büchern hängt, dröhnt er sich mit Alkohol oder Drogen zu.

Kommilitone Calle Hollender ist der Einzige, der sich um den labilen Pasi zu kümmern scheint. Dabei kämpft er mit reichlich eigenen Sorgen: Freundin Helena gibt ihm überraschend den Laufpass und sein Studium verläuft ziemlich orientierungs- und erfolglos. Zu allem Überfluss wird Calle auch noch das Studiengeld gestrichen. Um sich finanziell über Wasser zu halten, beginnt er alte Bücher aus der Uni-Bibliothek zu stehlen und übers Internet zu verkaufen.

Protagonisten mit zermürbenden Sorgen

Kai Erik lässt seine Leser lange Zeit im Unklaren, in welche Richtung sich sein Roman entwickeln wird. Zwar beschwört er schon im ersten Kapitel das Mysterium um die Werke von Leander Granlund herauf. Doch der weitere Verlauf seiner Erzählung kommt wider Erwarten zunächst ohne unerklärliche Elemente aus. Es geht um die Eheprobleme Backmans, vergangene Affären, seinen selbstmordgefährdeten Sohn und seine gesundheitlichen Probleme, die von einer alten Verletzung herrühren.  

Zudem steht die Freundschaft zwischen Calle und Pasi im Zentrum des Geschehens. Diese beschränkt sich jedoch auf recht oberflächliche Gespräche und gelegentliche Sauftouren. Über Pasi erfährt man dabei wenig. Erik spart sich wesentliche Informationen über diese Figur (aus gutem Grund) bis zum Schluss auf. So liegt der Fokus lange Zeit auf Calle, seinem Liebeskummer und seinen Geldproblemen. Seinen Frust kommentiert der Hobby-Comedian in Gedanken immer wieder mit sarkastischen Kommentaren, um dabei potenzielle Sprüche für sein neues Stand-up-Programm zu finden.

Suizid-Thematik als roter Faden

Das Problem: Wirklich witzig ist das nicht und passt auch nicht zur ernsten Suizid-Thematik, die sich wie ein roter Faden durch alle Handlungsstränge zieht. Die bedrückende Stimmung spitzt sich allerdings erst im letzten Viertel des Buchs zu: Nach all den realitätsnahen Dramen entscheidet sich der 34-jährige Autor doch noch für die nicht rational erklärbare Auflösung der Story.

Plötzlich zieht er das Erzähltempo rasant an. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse und ungeahnte Verbindungen zwischen den einzelnen Figuren werden offenbart. Das wirkt ein bisschen so, als hätte Kai Erik die Lust an seiner Geschichte verloren: Wollte er sie nur noch möglichst schnell zu Ende bringen?

Bei der ganzen Eile wird es etwas konfus: Wie viele Manuskripte und Gedichte Granlunds waren denn nun im Umlauf? Wer ist denn wann und warum damit in Verbindung gekommen? Die Antworten ergeben sich nur innerhalb eines chaotisch-anstrengenden Streitgesprächs zwischen Pasi und Backman.

In den Wahnsinn getrieben

"Das böse Buch" bringt auf jeden Fall Wahnsinn und Tod, das steht zum bitteren Ende fest. Leider reißt Erik die Hintergrundgeschichte um Leander Granlund zu Beginn des Romans nur oberflächlich an. Daher bleibt die immense Wirkung seiner Werke nicht ganz nachvollziehbar. Vielleicht hinterfragt man diese auch besonders, gerade weil sich der Roman mehr nach Drama als nach Horrormär oder Thriller anfühlt. Für echten Gruselspaß fehlt es ohnehin an Atmosphäre und Spannung.

Backman und Calle sind als Protagonisten dennoch interessant genug, um ihren Weg mit Neugier zu verfolgen. Dank des flotten Schreibstils und der kompakten Kapitel lässt sich der Roman innerhalb weniger Tage oder an einem verregneten Sonntag verschlingen. Nur Gänsehaut will sich dabei leider nicht einstellen.

"Das böse Buch" von Kai Erik ist am 21. Juli 2017 im Bastei Lübbe Verlag erschienen.

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  • Rezension zu: Kai Erik: Das böse Buch
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