David Sedaris erzählt in „Calypso“ bissige Anekdoten aus seinem Leben. Damit sorgt er einmal mehr für viele Lacher, der US-Autor offenbart aber auch eine ungewohnt düstere Seite von sich.

Calypso: Tragisch-Komisches von David Sedaris
© Ingrid Christie / Karl Blessing Verlag

Wie bringt man seine Mitmenschen am besten aus der Fassung? Und welches Futter empfiehlt sich für eine krebskranke Schildkröte? Die Antworten eines schrägen Vogels wie David Sedaris fallen wenig überraschend skurril aus.

David Sedaris erzählt in seinem neuem Buch „Calypso“ bissige Anekdoten aus seinem Leben. Damit sorgt er einmal mehr für viele Lacher, der US-Autor offenbart aber auch eine ungewohnt düstere Seite von sich. Es geht nämlich mitunter um das Älterwerden, Krankheit, den Tod und Donald Trump.

Eine schrecklich nette Familie

Im Vordergrund der kurzweiligen Essays, die locker an einem Nachmittag verschlungen sind, steht wieder die Sedaris-Sippe. Während er in seinen Bestsellern „Nackt“ und „Ich ein Tag sprechen hübsch“ vor allem die frühen Familiengeschichten zum Besten gab, widmet sich der Schreiberling nun der jüngeren Vergangenheit und dem Hier und Jetzt.

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Die Sommerferien und die Feiertage verbringt Sedaris am liebsten mit seinem Lebensgefährten Hugh, seinen Geschwistern und ihren Kindern sowie seinem über 90-jährigen Vater in seinem Strandhaus an der Crystal Coast von North Carolina. Bei gemeinsamen Spieleabenden werden pikante Themen angeschnitten und Kindheitserinnerungen ausgetauscht.

(K)ein besonderer Leckerbissen

Zwischendurch wird über die Midlife-Crisis von Bruder Paul gelästert, der sich nur noch flüssig ernährt. Oder es geht bei einem Spaziergang zu den Schildkröten am Meer. Vor allem eine Schnappschildkröte mit einem Tumor auf dem Kopf hat es Sedaris angetan. Er ist wie besessen davon, das Tier mit seinem eigenen Lipom zu füttern.

Da ihm sein Chirurg das operativ entfernte Gewebe aber nicht aushändigen würde, lässt er sich die gutartige Geschwulst kurzerhand in einer Nacht und Nebelaktion von einer Mexikanerin herausschneiden. Diese läuft ihm eines Abends bei einer seiner Lesungen über den Weg und gibt sich als Ärztin aus.

Doch das ist nur einer von vielen schrägen Momenten, die als Sedaris-Markenzeichen gelten. In seinem Zuhause im der britischen Grafschaft Sussex zelebriert der Exzentriker zwei seiner jüngst angeeigneten Zwänge, die er allerdings hervorragend miteinander verbinden kann: Zum einen ist er ganz erpicht darauf, die Schrittzahl-Forderungen seines Fitness-Trackers zu erfüllen und am besten täglich zu übertreffen. Zum anderen hat er sich zum Hobby gemacht, die Straßen seiner Wahlheimat vom Müll zu befreien. Zu Fuß, versteht sich.

Zwischen Provokation und Emotion

Die Selbstreflexionen des Schriftstellers sind mit viel Ironie und Zynismus verbunden. Mindestens genauso schonungslos ehrlich und direkt analysiert der Querdenker aber auch seine Mitmenschen. So gerne Sedaris über andere lästert, so sehr lechzt er auch danach, selbst mit ungeliebten Personen zu kommunizieren, sie zu provozieren und sie damit aus der Reserve und der unverfänglichen Routine zu locken. Auf seinen weltweiten Lesereisen und während leidenschaftlicher Shopping-Touren bekommt er reichlich Gelegenheit dazu.

Bei Fremden fällt Sedaris das Einfädeln einer Unterhaltung deutlich leichter als bei Familienmitgliedern: Es erweist sich als heikle Angelegenheit, gemeinsame Gesprächsthemen mit seinem Vater zu finden. Vor allem wenn es um Donald Trump geht, drohen Streitereien. Auf die hat Sedaris aber so gar keine Lust: Der US-Präsident bringt ihn als Hassobjekt Nummer eins nicht nur unnötig in Rage. Er will auch unschöne Szenen mit seinem alten Herrn vermeiden, da er sieht, wie dieser zunehmend gesundheitlich abbaut.

Die düstere Seite des David Sedaris

Nach dem Selbstmord seiner Schwester Tiffany, die sich mit den Jahren von ihm und dem Rest der Familie entfremdet hatte, plagen Sedaris verstärkt Gedanken über die Vergänglichkeit des Lebens. Und ein schlechtes Gewissen: Erst im finalen Essay berichtet er von der letzten, sehr traurig stimmenden Begegnung mit Tiffany.

In „Calypso“ lässt Sedaris seine Leser tiefer in seine Gefühlswelt blicken als jemals zuvor, ohne dabei jedoch seinen kratzig-trockenen Humor zu verlieren. Den muss man durchaus mögen. Fans des kauzigen 61-Jährigen dürften sich aber wieder bestens amüsiert fühlen.

Mehr Infos zum Autor: www.davidsedarisbooks.com

„Calypso“ von David Sedaris ist am 27. August 2018 im Karl Blessing Verlag erschienen.

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  • Rezension zu: David Sedaris: Calypso
  • Redaktionswertung:

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