Drehbuchautor Jan Schröter schickt in seinem neuem Roman „Rettungsringe“ eine Gruppe 50somethings auf verspätete Schulabschlussfahrt. Die bemüht witzige Geschichte würde sich gut als Vorlage für einen kitschigen TV-Film im öffentlich-rechtlichen Programm machen. Mehr...
Der Hamburger Drehbuchautor Jan Schröter schickt in seinem neuem Roman „Rettungsringe“ eine Gruppe 50somethings auf verspätete Schulabschlussfahrt.
Über 30 Jahre ist es schon her, seit Paul Cullmann Abitur gemacht hat. Nun zelebriert sein Sohn Lennart seinen Schulabschluss und will danach für ein mehrmonatiges Praktikum nach New York ziehen. Paul verspürt zwar großen Stolz und freut sich, wie Lennart sein Leben in die Hand nimmt. Doch er hat auch Angst, sich in Zukunft noch einsamer zu fühlen.
Seit der Scheidung von seiner Frau Daniela scheint er zunehmend seine Lebensfreude zu verlieren. Als selbständiger Möbelrestaurator hält er sich gerade so über Wasser. Sein wesentlicher sozialer Kontakt beschränkt sich auf gelegentliche Small Talks und Begegnungen mit seiner alten Nachbarin. Das soll sich aber schon bald ändern: Ausgerechnet auf Lennarts Abiball trifft Paul auf Sebastian, der mit ihm die Schulbank gedrückt hat.
Sebastian will unbedingt ein Klassentreffen organisieren, um eine zu Jugendzeiten abgesagte Kanutour nachzuholen. Paul hält das Ganze für eine Schnapsidee, hilft seinem ehemaligen Schulfreund aber schließlich doch, die Telefonliste durchzuarbeiten. Am Ende tauchen nicht viele zur Feier auf: Zu Paul und Sebastian gesellen sich nur der nerdige Jens, die chaotische Merle und die zickige Isabel, mit der Paul schon immer auf Kriegsfuß stand. Die kleine, ungleiche Truppe beschließt, schon am nächsten Tag auf große Kanufahrt auf der Weser zu gehen.
Etwas verspätet stößt Sängerin Ragna zu ihren alten Schulkameraden. Das Abenteuer kann beginnen! Auf der Reise stellt sich mehr und mehr heraus, dass nicht nur Paul mit persönlichen Problemen zu kämpfen hat: Isa wird von ihrem Mann geschlagen, Merle plagen Geldsorgen und Ragna hat vermeintliches Drogengeld im Gepäck. Selbst der augenscheinlich gut gelaunte Sebastian trägt ein trauriges Geheimnis mit sich herum.
Schon nach wenigen gelesenen Seiten ist fast klar: Die kleinen und großen Dramen steuern in der Geschichte von Jan Schröter auf zielsichere Happy Ends zu. Sie beginnt zunächst noch recht amüsant aus der Perspektive Pauls, der als mitleiderregender Protagonist Interesse weckt und durchaus zu amüsieren weiß. Dann wechselt der Autor aber plötzlich die Blickwinkel. So erfährt man mehr über die Probleme der anderen Figuren, es kommt jedoch auch eine gewissen Unruhe in den Erzählfluss.
Schröter belässt es zudem bei Stereotypen und Oberflächlichkeiten, keiner der Charaktere wird richtig ausgearbeitet. Während er Paul, Isabel und Ragna immerhin mit konkreten Hintergrundgeschichten ausstattet, dienen ihm die wenig beachteten Sebastian, Merle und Jens nur als Mittel zum Zweck: Sebastian braucht er als Initiator für die feucht-fröhliche Tour. Die tollpatschige Merle muss dagegen für die skurrilen Slapstick-Momente herhalten und der jungfräuliche, introvertierte Jens als eine Art Pausenfüller für ereignisarme Passagen.
So wirklich viel passiert ohnehin nicht im Roman: Die Handlung umfasst nur wenige Tage. Die Kanufahrt zieht Schröter schwelgerisch und detailverliebt in die Länge. Unzählige Male landen Paul und Co im Wasser oder werden vom Regen überrascht. Dann gibt es wieder Ruhe- und Einkaufpausen, die mit zumeist anzüglichem Altherren-Humor überbrückt werden. Egal ob oben oder unten ohne: Die rüstigen Damen ziehen alle mal blank - mehr oder weniger freiwillig. Da erwachen die eingerosteten Hormone von Paul, Jens und Sebastian zu neuem Leben.
Schröter verschont seine Leser also auch nicht mit den obligatorischen Romanzen. Selbst eine hanebüchene Krimi-Storyline um Ragna packt er noch mit rein. Richtig spannend wird es trotzdem nie, weil sich jede heikle Situation am Ende doch wieder nur zum Klamauk entwickelt. Die Protagonisten haben schließlich jedes Mal Lachtränen in den Augen. Als Leser kann man das Geschehen im besten Fall mit einem müden Lächeln kommentieren. Lediglich die Zielgruppe öffentlich-rechtlicher TV-Kost wie „Das Traumschiff“ oder „Großstadtrevier“, für die sich Schröter schon Geschichten ausgedacht hat, könnte Gefallen an dem seicht-heiteren Roman finden.
Die Moral von „Rettungsringe“ bleibt simpel: Freundschaft und Liebe können in der Lebensmitte dabei helfen, Krisen zu überstehen.
„Rettungsringe“ von Jan Schröter ist am 02. Juni 2014 im Knaur Taschenbuchverlag erschienen.
Mehr Infos zum Autor: www.droemer-knaur.de/autoren/7762902/jan-schroeter
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