Rihanna AntiKanye West und Drake haben ihren eigenen Sound gefunden und sind ohne Pop-Ohrwürmer erfolgreich. Rihanna will das jetzt auch, tut sich auf „Anti“ aber noch schwer mit der Suche nach einem neuen musikalischen Zuhause. Mehr...

Superstar Rihanna will weg vom Pop
© Universal Music

Kanye West und Drake haben ihren eigenen Sound gefunden und sind ohne Pop-Ohrwürmer erfolgreich. Rihanna will das jetzt auch, tut sich auf „Anti“ aber noch schwer mit der Suche nach einem neuen musikalischen Zuhause.

Rihanna will einen Neuanfang. Das war fast abzusehen: Ihre ersten sieben Alben veröffentlichte sie bis auf eine über zweijährige Pause zwischen „Good Girl Gone Bad“ (2007) und „Rated R“ (2009) im Jahrestakt. Ihr achtes Werk „Anti“ ließ nun über drei Jahre auf sich warten. Die Singles „FourFiveSeconds“, „Bitch Better Have My Money“ und „American Oxygen“ aus dem vergangenen Jahr sucht man darauf vergebens. Sie hätten auch nicht so recht zu den restlichen 13 Tracks passen wollen, die den Albumtitel zum Konzept machen: Die 27-jährige Sängerin schwimmt jetzt gegen den Mainstream. Ihr steht der Sinn nach Experimenten, sie probiert sich aus... ohne Rücksicht auf Verluste.

Schon die erste Single „Work“ polarisiert

Ein Großteil des neuen Songmaterials wird Rihanna-Fans irritieren und vielleicht sogar verschrecken, die breite Masse sowieso. Das fängt schon mit „Work“ an, der gemeinsamen Single mit Drake. Dezent scheppernde Beats, blubbernde Synthies, dazu eine eintönig quäkende Protagonistin und Auto-Tune-Einlagen des kanadischen Rappers ergeben so gar keinen Ohrwurm. Die Nummer plätschert zielsicher ins Aus.

Auch mit der hierzulande noch recht unbekannten Sängerin SZA versucht sich Rihanna beim Opener „Consideration“ an düsterer Monotonie, die immerhin noch mit angenehmem Reggae-Flow und einer gewissen Atmosphäre aufwarten kann. Das kurze Intermezzo „James Joint“ lässt sich dann schnell als dissonantes Gedudel abhaken, bevor mit dem eingängigen „Kiss It Better“ zumindest ein kleiner Kompromiss fürs popaffine Publikum folgt.

Endlich, es ist eine greifbare Melodie auszumachen! Noch besser: ein Refrain! Doch die Freude hält sich in Grenzen. Die Inszenierung ist arg synthetisch ausgefallen, Rihannas Gesang wurde zu sehr entfremdet. Die Plastik-Ballade kommt so ohne echtes Gefühl aus. Das kann das Fräulein Fenty besser, oder etwa nicht?

Experimente werden zur zähen Geduldsprobe

Nun ja - noch nicht, neben dem bereits erwähnten „Work“ müssen zunächst weitere Selbstfindungsversuche überstanden werden: Das bedrohliche brummelnde „Desperado“ erweist sich davon noch als spannendster Beitrag. Zwar fehlt es auch hier an einer zündenden Hookline. Allerdings fährt Rihanna hier ganz gut mit ihrem markanten, blechernen Sprechgesang. Sie versteht es, Akzente zu setzen und so etwas Dynamik in den sonst langweiligen Trip-Hop-Dreiminüter zu bringen.

Das schrecklich verzerrte „Woo“, der mit nervigen Samples untermalte Hip-Hop-Klopfer „Needed Me“ und die R'n'B-Einschlafhilfe „Yeah, I Said It“ werden schließlich zur anstrengenden Geduldsprobe. Das fast siebenminütige „Same Ol' Mistakes“, im Original von der australischen Band Tame Impala, schlägt dann gar eine psychedelische Richtung ein. Der perfekte Kiff-Soundtrack zum Abheben? Möglich... im unbenebelten Zustand bleibt der Titel eine äußerst zähe Angelegenheit!

Die gute Nachricht: Ab jetzt geht es auf „Anti“ bergauf, weil die restlichen Songs wieder mehr einen Schritt in Richtung Pop wagen: Die folkige Lagerfeuerballade „Never Ending“ gibt Rihanna endlich die Möglichkeit, gesanglich zu glänzen. Nach all dem Auto-Tune und den vielen Effekten nun doch ein paar authentische Emotionen!

Das Album-Finale wird doch noch gefühlvoll

Ganz viel Soul beweist der in Saint Michael auf Barbados geborene Superstar schließlich beim großartigen „Love On The Brain“. Rihanna wandert hier auf den Spuren einer Amy Winehouse und entdeckt den 60s-Sound für sich. Die meiste Zeit singt sie dabei mit ihrer Kopfstimme und ist kaum wiederzuerkennen.

Gesanglich überzeugt sie auch beim folgenden „Higher“: noch so eine Ballade mit angenehmen Retro-Charme. Das pianeske „Close To You“ lässt das Album unaufgeregt, überaus melodiös und erneut sehr gefühlvoll ausklingen. Da sollten sich auch anfangs verärgerte Fans wieder versöhnlich zeigen.

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Trotzdem ist eines ganz deutlich festzuhalten: Einen großen Hit hat Rihanna diesmal nicht im Gepäck. Gleichzeitig liegen ihren mutigen Ausflügen in experimentelle Soundwelten keine guten Songideen zugrunde. Es genügt nicht, einfach anders als bislang zu klingen. Es muss auch passen! Rihanna steckt jedoch noch mitten im Prozess, sich von der kommerziellen Popwelt zu emanzipieren und ihren ganz eigenen Stil zu finden. „Anti“ kann erst mal als bemühter Erstversuch abgehakt werden.

Nach der zunächst kostenlosen Veröffentlichung beim Streaming-Portal Tidal in der vergangenen Woche gibt es die Scheibe ab 5. Februar regulär im Handel zu kaufen.

Link: www.rihannanow.com

Veröffentlichung am 05.02.2016 (Roc Nation - Universal Music)

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  • Rezension zu: Rihanna: Anti
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