Ganze sechs Jahre hat sich Joy Denalane für ihr neues Album „Gleisdreieck“ Zeit genommen. Das hat so lange gedauert, weil die Sängerin zwischendurch diverse Ideen wieder verworfen hat. Am Ende hat sie sich leider für elektronisches Plätscher-Allerlei entschieden. Mehr...

Joy Denalane 2.0: Elektronische Plätscherware statt Soul
© Eva Baales / Universal Music

Joy Denalane will auf „Gleisdreieck“ partout moderner klingen und verzettelt sich damit gewaltig.

Ganze sechs Jahre hat sich Joy Denalane für ihr neues Album „Gleisdreieck“ Zeit genommen. Das hat so lange gedauert, weil die Sängerin zwischendurch diverse Ideen wieder verworfen hat. Wie sie in einem aktuellen Interview mit n-tv.de verraten hat, hegte sie ursprünglich Pläne für eine Retro-Scheibe im Stil von Ike und Tina Turner. Doch schließlich setzte sich ihr Wunsch nach einem moderneren Sound durch.

Im Presseschreiben zu „Gleisdreieck“ ist von „Future R'n'B“ die Rede. Im Klartext: Joy springt auf den aktuellen Elektro-Zug auf. Echtes Soul-Feeling geht dabei flöten: Düstere Synthieflächen und tiefenentspannte Beats sorgen auf weiten Strecken für eine ziemlich unterkühlte Atmosphäre. Besonders die vielen Effekte und Autotune-Spielereien („So sieht man sich wieder“, „Deshalb“) sind ein Schlag ins Gesicht für alle Fans von Joys warmer, gefühlvoller Stimme.

Bedeutungsschwangere Monotonie

Diese wird nicht nur viel zu oft und viel zu sehr manipuliert, sie muss sich auch mit vorwiegend monotonen Melodien begnügen. „Ich habe diesmal bewusst nicht das gesamte Sängerspektrum ausgepackt“, versucht die 43-Jährige das Manko zu erklären. Für „Gleisdreieick“ sei es ihr wichtiger gewesen, „ein Wort zu transportieren, eine Geschichte zu erzählen und vor allem ein Gefühl zu vermitteln.“

Doch dieses Vorhaben scheitert, weil die zähen Songs mit bedeutungsschwangeren Metaphern dahinplätschern („Himmel berühren“, „Wieder gut“, „Venus & Mars“). Die Lyrics wollen viel sagen und sagen doch nichts. Worte und Phrasen hängen schwammig in der Luft und verlassen sich voll und ganz auf ihren Interpretationsspielraum.

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Für Joy sind es Zeilen über zerbrechende Beziehungen und Träume, Neuanfänge und persönliche Erfahrungen als Mutter oder mit den Oberflächlichkeiten der Berliner Schickimicki-Szene. Thematisieren will sie auch den „neuen Alltagsrassismus“, der ihr in der Großstadt zunehmend begegnet.  

Durchschaubare Single-Kandidaten

Aus der dicken R'n'B-Dudelsuppe schwappen ein paar potenzielle Single-Auskopplungen nach oben, die sich mit abgedroschenen Pop-Akkorden aufzudrängen versuchen („Hologram“, „Alles leuchtet“). Das sommerliche, afrikanisch angehauchte „Elli Lou“ und die gefühlvolle Akustiknummer „Zuhause“ gehören zu den wenigen Lichtblicken des Albums.

Trotz dezenter Elektronik können auch die Balladen „Zwischen den Zeilen“ und „Stadt“ schließlich wieder mehr Gefühl vorweisen. Allerdings ziehen sie ebenfalls ganz beiläufig vorbei, ohne in Erinnerung zu bleiben. Mit dem geschmeidigen „Vorsichtig sein“ zeigt sich Joy endlich von ihrer souligen Seite. Doch selbst hier überwiegt die Langeweile, weil der Song einfach keine Überraschungen bereithält. Ohne nennenswerte Höhepunkte gehen auch die Gastauftritte der Rapper Tua, Ahzumjot und Megaloh über die Bühne.

Kurzum: „Gleisdreieck“, benannt nach dem U-Bahnhof in Kreuzberg, fällt im Vergleich mit Denalanes bisherigen drei Studioalben deutlich ab. Vielleicht wäre Joy mit dem ursprünglich angedachten „Ike und Tina“-Konzept tatsächlich besser gefahren.

Mehr Infos zur Künstlerin: www.joydenalane.com

Veröffentlichung am 03.03.2017 (Nesola Universal Music)

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  • Rezension zu: Joy Denalane: Gleisdreieck
  • Redaktionswertung:

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