Mit seinem siebten Album wagt Clueso einen Neuanfang. Der Erfurter Sänger lässt seine alte Band und sein altes Management hinter sich, um wieder frei zu sein. Da Loslassen nicht leichtfällt, sind viele nachdenkliche Songs entstanden. Mehr...

Alles neu bei Clueso
© Christoph Köstlin

Clueso hat sich von altem Ballast getrennt und fängt noch mal von vorne an.

Mit Mitte 30 stellen sich oft essenzielle Fragen: Bin ich mit meinem Leben zufrieden? Bin ich glücklich? Will ich so weitermachen oder vielleicht doch noch lang gehegte Träume angehen?

Auch Thomas Hübner, besser bekannt als Clueso, muss sich mit ähnlichen Gedanken herumgeschlagen haben. Nach einer anstrengenden Deutschland-Tour im Spätsommer des vergangenen Jahres kam er schließlich zur Erkenntnis: Es wird höchste Zeit für Veränderungen.

Der 1980 geborene Musiker zeigte sich wenig kompromissbereit bei seinem Wunsch, alles umzukrempeln: Er trennte sich von seiner Band, zog aus der gemeinsamen WG im Erfurter Zughafen aus und wechselte auch sein Management. Nur so sah er eine Möglichkeit, fortan wieder autonom wirken zu können.

Abschied von kreativen Fesseln

Ganz ohne die vertrauten Menschen um ihn herum verabschiedeten sich auch all die Verpflichtungen und Erwartungen, die mit diesen verbunden waren. Für Clueso schränkten sie seine kreative Freiheit zuletzt viel zu sehr ein. Kurzum - ein "Neuanfang" musste her. Einen passenderen Titel hätte der Sänger für sein nunmehr siebtes Album wohl nicht finden können.

Gemeinsam mit seinem neuen Produzenten Tobias Kuhn entstanden zehn Songs in Berlin. In diesen setzt sich Clueso intensiv mit seiner Selbstfindungskrise der vergangenen Monate auseinander. Mit einem gefälligen Hip-Hop-Beat verspricht das eröffnende Titelstück zunächst einen schwungvollen Neustart. Im Anschluss groovt sich "Achterbahn" schnell ins Ohr: Die Bläser erinnern an Seeed- und Jan-Delay-Produktionen, der Sprechgesang in den Strophen an Gute-Laune-Rapper Cro.

"Neue Luft" drückt dann auf die Tempobremse, fährt viel Bass auf und bettet die nachdenklichen Lyrics auf einer soften Elektro-Matratze. Ähnlich relaxt geht es mit einem zurückblickenden Clueso weiter: Das melancholische "Erinnerungen" kann wieder mehr Melodie vorweisen und baut sich langsam auf. Doch erst am Ende des Songs kommt Clueso ganz aus sich heraus. Wenn seine Stimme richtig Druck gibt und dabei leicht wegbricht, offenbart sie ihren ganz besonderen Crisp.

Duette mit Kat Frankie und Sara Hartman

Das Duett "Wenn du liebst" mit der australischen Sängerin Kat Frankie meidet dann aber die spannenden Ecken und Kanten. Die reduzierte Inszenierung mit scheppernder Drumbox, Bass, ein paar wenigen Gitarren-Akzenten und Synthies weiß dennoch zu gefallen.

Bei "Lass sie reden" besinnt sich Clueso noch einmal zurück auf seine Hip-Hop-Wurzeln und rappt mehr, als dass er singt. Die dissonanten Brüche im Lied mögen beabsichtigt sein. Doch gerade die gesungenen Parts klingen hier sehr schräg. Überhaupt will der Wechsel zwischen Raps und Gesang nicht so recht funktionieren.

Im Falle von "Anderssein" konzentriert sich Clueso in den Strophen zum Glück ganz auf den Sprechgesang. Für den Chorus der kratzigen Nummer hat er sich die New Yorker Sängerin Sara Hartman ins Studio geholt. Eine griffige Gitarren-Hookline und ein flotter Beat lösen endlich die angezogene Handbremse. Cluesos Neuanfang ließ bislang den nötigen Pep vermissen.

Der nachdenkliche Prozess zum Neuanfang

Mit den drei verbleibenden Titeln des Albums kann der 36-Jährige das Ruder aber nicht mehr rumreißen: "Gordo", ein metapherreicher Song über ein Äffchen im Weltall, bietet zwar eine schöne Geschichte, will allerdings auch nicht so recht in Fahrt kommen. Clueso legt sein Hauptaugenmerk klar auf Atmosphäre und Inhalt.

Die gospelige Ballade "Jeder lebt für sich allein" und das vorwiegend akustisch gehaltene "Sorgenfrei" lassen es zum Schluss allzu ruhig angehen. Cluesos Neuanfang wirkt daher mehr wie der stille, nachdenkliche Prozess bis zum finalen Schritt der Veränderung.

Mehr Infos zum Künstler: www.clueso.de

Veröffentlichung am 14.10.2016 (Vertigo Berlin / Universal Music)

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  • Rezension zu: Clueso: Neuanfang
  • Redaktionswertung:


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