Endlose Sommerferien – das klingt erst mal verlockend. Doch wenn wie auf der frisch veröffentlichten Scheibe von Miley Cyrus einfach nicht viel passieren will, artet endlos schnell in anstrengend aus.

Von Schauspieler Liam Hemsworth trennte sich Sängerin Miley Cyrus zwar schon im Sommer 2019. Doch an der gescheiterten On-off-Beziehung scheint die inzwischen 30-Jährige noch in jüngerer Vergangenheit geknabbert zu haben. Das lassen so einige Textzeilen aus den Songs ihres neuen Albums „Endless Summer Vacation“ vermuten.

Miley rechnet mit dem Ex ab, singt über Selbstliebe und Unabhängigkeit. Zum Glücklichsein braucht sie niemanden an ihrer Seite. Das kann sie ganz allein. So lautet etwa auch die Quintessenz der vorab veröffentlichten Single „Flowers“, die hierzulande Platz 1 der Charts erreichte. Die selbstbewusste Message kommt also gut an – vielleicht weil Cyrus nicht mit Wut im Bauch zurückblickt.

Musikalischer Liebesbrief an Los Angeles

Was auch schiefgelaufen ist in Sachen Liebe, die Musikerin klingt entspannt und mit sich selbst im Reinen. So kommt sie nicht mehr nackt auf dem „Wrecking Ball“ angeflogen, sondern ganz chillig angegroovt. Ganz ohne Provokation, unerwartet reduziert und absolut untypisch für eine Miley Cyrus.

Offiziell wird „Endless Summer Vacation“ ohnehin nicht als Trennungs- oder Selbstfindungsalbum kommuniziert, sondern als „Liebesbrief an Los Angeles“. Die Hitze Kaliforniens vermag aber auch etwas träge zu machen und so plätschert ein Großteil des Songmaterials im Midtempo-Bereich und ohne Auffälligkeiten dahin. Selbst wenn wie bei „River“ doch mal der Dance-Beat einsetzt, hält sich die Party-Laune in Grenzen.

Retro-Verpackung mit dicker Staubschicht

Das Problem: Der von Greg Kurstin, Kid Harpoon, Mike WiLL Made-it und Tyler Johnson produzierte Longplayer scheut die Ausbrüche. Offensiv jongliert wird lediglich mit Retro-Sounds. Das Spiel mit zarten Disco-Elementen und analogen Synthies mag um Zeitlosigkeit bemüht sein. Oft wirkt das Ergebnis aber mehr aus der Zeit gefallen – fast schon ein wenig angestaubt.

Bei „Flowers“ funktioniert die altbackene, fast schon biedere Inszenierung noch ganz gut – einfach weil das Lied über eine schöne, griffige Melodie verfügt. Solch einen Ohrwurmcharakter offenbart leider keiner der anderen Titel mehr. Es fehlt schlichtweg an mitreißenden Refrains („Rose Colored Lenses“, „Handstand“, „Violet Chemistry“).

Selbst die Kollaborationen mit prominenten Kolleginnen – das folkig-countryeske „Thousand Miles“ mit Brandi Carlile und das beatlastige „Muddy Feet“ mit Sia – schaffen es nicht, herauszustechen oder wenigstens für Abwechslung zu sorgen. Die beiden Albumgäste halten sich stark zurück und verkommen so zu Backgroundsängerinnen. Miley beansprucht die ganze Aufmerksamkeit für sich.

Stimmlicher Ausbruch zum Albumfinale

Wie schon bei der 2020 veröffentlichten Single „Midnight Sky“ vom Vorgängerwerk „Plastic Hearts“ serviert die Patentochter von Country-Ikone Dolly Parton mit „Wildcard“ wieder gediegenen 80er-Pop. Sommerliche Karibik-Vibes versprüht das fast schon schlagereske „Island“. Oder wie wäre es mit der obligatorischen Pianoballade?

Bitte schön: „Wonder Woman“ erinnert in den Strophen verdächtig an Sarah McLachlans „Angel“ und wird von Miley mit voller Inbrunst geschmettert. Ist das nicht ein bisschen kitschig? Auf jeden Fall! Aber immerhin ist es vielleicht der einzige Moment des Albums, in dem der US-Star endlich die Handbremse löst und zumindest stimmlich Gas gibt.

Doch zum Schluss kommt dieses kleine Erwachen reichlich zu spät. Das Fazit von „Endless Summer Vacation“ lautet daher: 43 Minuten können sich verdammt lang anfühlen!

Veröffentlichung: 10. März 2023 (Columbia Records)

Quelle: YouTube / Miley Cyrus