Der Schwedenkrimi „Springflut“ erfindet das Nordic-Noir-Rad nicht neu, bereichert das Genre aber mit ein paar frischen Akzenten. Als größte Mankos der Serie erweisen sich das schleppende Erzähltempo und Hauptdarstellerin Julia Ragnarsson. Mehr...
Der Schwedenkrimi „Springflut“ erfindet das Nordic-Noir-Rad nicht neu, bereichert das Genre aber mit ein paar frischen Akzenten.
Seit Mitte November zeigt das ZDF am späten Sonntagabend die neue skandinavische Krimiserie „Springflut“, die vom Mainzer Sender koproduziert wurde. Am 1. Dezember erscheint die komplette erste Staffel mit fünf spielfilmlangen Episoden zudem auf DVD und Blu-ray.
Eine deutsche Beteiligung bei Nordic-Noir-Reihen ist längst zur Routine geworden, haben sich diese doch als quotenstarke Programmsäule bewährt. „Springflut“ ist darum bemüht, an erfolgreiche Vorgänger wie „Kommissarin Lund“ und „Die Brücke“ anzuknüpfen, will dem Genre aber auch ein paar neue Facetten abgewinnen.
Stockholm zeigt sich in der Verfilmung der gleichnamigen Romanvorlage des schwedischen Autoren-Duos Cilla und Rolf Börjlind nicht nur von seiner dunklen Seite. Viele Szenen spielen bei sommerlichem Tageslicht und haben mitunter einen überraschend unbeschwerten Charakter. Das liegt zum Großteil auch an einer jungen, dynamischen Ermittlerin, die ohne großen Seelenballast daherkommt.
Die ehrgeizige Polizeischülerin Olivia Rönning (Julia Ragnarsson) hat seit dem schmerzlichen Krebstod ihres Vaters zwar immer mal wieder Knatsch mit ihrer Mutter. Doch von einer traumatisiert-depressiven Titelheldin ist die Figur meilenweit entfernt. Mit viel Elan geht sie eine Hausaufgabe an, die ihr Professor über die Semesterferien erteilt hat.
Die Studenten sollen einen alten, ungelösten Fall aus dem Jahre 1990 analysieren. Damals wurde auf der schwedischen Insel Nordkoster eine junge Frau auf grausame Art und Weise ermordet: Eingegraben im Sand ertrank die Hochschwangere, als die sogenannte Springflut einsetzte. Dabei handelt es sich um ein Naturphänomen, das dort alle 14 Tage eintritt.
Einst arbeitete Olivias Vater gemeinsam mit dem Ermittlungsleiter Tom Stilton (Kjell Bergqvist) ohne Erfolg an der Auflösung des Verbrechens. Das spornt die Nachwuchskommissarin nur noch mehr an, endlich die Wahrheit herauszufinden. Bis dato konnte weder die Identität des Opfers geklärt, noch ein Täter gefasst werden. Selbst mit den alten Unterlagen ihres Vaters geraten Olivias Nachforschungen schnell ins Stocken.
Ohne Stilton kommt sie nicht weiter. Zunächst versucht die Studentin vergebens, den ehemaligen Kollegen ihres Vaters aufzuspüren. Was sie nicht ahnen kann: Stilton musste den Dienst schon vor Jahren wegen psychischer Probleme quittieren und haust inzwischen als Penner auf der Straße.
Dort lebt er auf gefährlichem Fuß: Brutale Jugendliche haben es auf die Obdachlosen Stockholms abgesehen. Mit blinder Gewalt prügeln und treten sie auf ihre hilflosen Opfer ein. Ihre Grausamkeiten halten sie mit dem Handy fest und veröffentlichen die Clips im Internet.
Als eine Freundin Stiltons durch die Schläger zu Tode kommt, erwacht der Eigenbrötler aus seiner Lethargie. Er will die Täter fassen und zur Rechenschaft ziehen. Zudem nimmt der Alte Kontakt mit Olivia auf, um ihre brennenden Fragen zum Springflut-Fall zu beantworten. Beide bringen sich mit ihren Ermittlungen in Eigenregie schon bald in tödliche Gefahr. Doch genau das gibt ihnen Gewissheit: Sie sind auf der richtigen Spur.
„Springflut“ lässt sich eine gefühlte Ewigkeit Zeit, bis die beiden Hauptfiguren der Geschichte endlich einmal zusammenfinden. Erst dann gewinnt die Serie an Tempo und Spannung. Cilla und Rolf Börjlind, die auch die Drehbücher geschrieben haben, versäumen es, den langen Leerlauf vorab sinnvoll zu nutzen – etwa mit einer detaillierten Charakterzeichnung Olivias. Die Titelheldin bleibt ziemlich uninteressant, gerade weil sie noch so jung und unverbraucht ist.
Mit ihren penetranten, unangenehmen Fragen und ihrer zuweilen zickigen Art eckt Olivia immerhin an. Doch es fällt richtig schwer, mit Hauptdarstellerin Julia Ragnarsson warm zu werden: Die 25-Jährige kämpft sich durch nahezu jede Situation mit ausdrucksloser Schmolllippe, so als würde sie ganz cool und lässig für einen Modekatalog mit französischer Haute Couture posieren.
Es liegt daher ganz an Kjell Bergqvist, als Sympathieträger und damit als Zugpferd der Serie zu fungieren. Sein Tom Stilton ist eben mit genau der steinigen Vergangenheit ausgestattet, die man von einem Nordic-Noir-Ermittler erwartet. Die Autoren wagen also doch nicht zu viel Neues mit „Springflut“. Ihr routiniert konstruierter Fall hätte in gut der Hälfte der Zeit erzählt werden können, mit gewissen Abstrichen vielleicht sogar in einem einzigen Film.
So ein paar zähe Längen gehören aber eben irgendwie auch zu einem Schwedenkrimi. Schließlich gilt es für den typischen Look, möglichst viele stimmungsvolle Landschafts- und Stadtaufnahmen unterzubringen. Alles nach Schema F, alles so ähnlich schon mal gesehen. In Schweden war „Springflut“ mit über 1,5 Millionen Zuschauer dennoch ein großer Erfolg. Eine zweite Staffel ist bereits in Planung, zumal schon drei weitere Romane der Rönning/Stilton-Reihe vorliegen.
„Springflut - Staffel 1“: Veröffentlichung am 01.12.2017 auf DVD und Blu-ray (Edel Germany GmbH)
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