Kinder-Morde, eine traumatisierte Ermittlerin und ganz viel Blaufilter: Das belgische Crime-Drama „Public Enemy“ folgt dem bewährten Muster skandinavischer Krimikost. Die zehnteilige erste Staffel ist nach der Ausstrahlung im Pay-TV neu fürs Heimkino erschienen. Mehr...
Kinder-Morde, eine traumatisierte Ermittlerin und ganz viel Blaufilter: Das belgische Crime-Drama „Public Enemy“ folgt dem bewährten Muster skandinavischer Krimikost.
Der Trend zu düsteren Thriller-Serien begann vor etlichen Jahren mit skandinavischen Produktionen wie „Kommissarin Lund“ und „Die Brücke“. Unterkühlte, atmosphärische Bilder, gebrochene Charaktere und abscheuliche Verbrechen erwiesen sich als Erfolgszutaten für den sogenannten „Nordic Noir“-Stil.
Schnell versuchten Serienmacher im Ausland diesen mal mehr, mal weniger gut zu kopieren. In den USA ließ man mit „The Killing“ und „The Bridge“ einfach Remakes der erwähnten TV-Hits drehen. Dem britischen Sender ITV gelang da mit „Broadchurch“ schon eine originellere Erkundung des neuen Genres.
Ein belgischer Beitrag zum Thema heißt „Public Enemy“. Die zehnteilige erste Staffel der Serie war bereits Ende 2016 im deutschen Pay-TV bei Sky Atlantic zu sehen. Nun gibt es den mit melancholischer Tristesse inszenierten Krimi auch auf DVD und Blu-ray fürs Heimkino. Die Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten, nämlich auf den schrecklichen Kindsmorden durch den Serienkiller Marc Dutroux Ende der 90er-Jahre.
In „Public Enemy“ träg der Antagonist den Namen Guy Béranger (Angelo Bison). Dieser saß 20 Jahre für den Mord an fünf Kindern im Gefängnis. Wegen guter Führung soll es Béranger nun erlaubt werden, den Rest seiner Bewährungszeit in einem Kloster in den Ardennen zu verbringen. Die Bewohner des nahegelegenen Dorfes wollen das nicht akzeptieren und gehen auf die Barrikaden. Selbst unter den Ordensbrüdern herrscht Uneinigkeit darüber, ob der Verbrecher eine Chance auf Resozialisierung verdient hat. Nur Lucas (Clément Manuel) glaubt fest daran, fand er im Kloster doch einst selbst zurück auf den richtigen Weg.
Aufgrund der angespannten Situation wird die junge Ermittlerin Chloé Muller (Stéphanie Blanchoud) hinzugezogen. Sie soll den ansässigen Polizisten Michaël Charlier (Jean-Jacques Rausin) unterstützen und für die Sicherheit Bérangers sorgen. Zumindest lautet so ihr offizieller Auftrag. In Wirklichkeit will Chloé den Kindermörder ganz genau im Auge behalten. Ihr ausgeprägtes Misstrauen liegt verwurzelt in einem Trauma, das sie nach einem schrecklichen Erlebnis als kleines Mädchen plagt: Ihre Schwester verschwand spurlos als Kind. Es wir vermutet, dass auch sie Opfer eines Gewaltverbrechens wurde.
Die Dämonen der Vergangenheit suchen Chloé schon bald wieder akut in Form von Erinnerungen und Visionen heim: Denn kaum ist Béranger in seinem neuen Zuhause angekommen, wird eine erste Mädchenleiche gefunden. Muller und Charlier nehmen die Ermittlungen auf. Dabei bekommen sie es mit wütenden Einheimischen zu tun, die Selbstjustiz üben wollen. Doch steckt wirklich Béranger hinter den neuen Verbrechen?
Die Frage versteht sich als obligatorisch. Ganz so einfach machen es die Drehbuchautoren den Zuschauern natürlich nicht. Das idyllische kleine Dorf offenbart viele dunkle Geheimnisse und eine Reihe an dubiosen Figuren, die als Verdächtige in Frage kommen. „Public Enemy“ setzt hier voll und ganz auf ein vertrautes Szenario, das man aus so vielen thematisch ähnlich gestrickten Serien kennt. Das große Aha-Erlebnis bleibt daher aus.
Das gilt auch für die optische Umsetzung mit dem übertriebenen Blaufilter, den bedeutungsschwangeren Landschaftsaufnahmen und dem Spannung heraufbeschwörenden Vorspann mit abgedroschenen Motiven. Das „Nordic Noir“-Rezept wird hier penibel genau nachgekocht. Das Ergebnis schmeckt daher recht austauschbar.
Protagonistin Chloé wirkt mit ihrer schroffen, unnahbaren Art und ihrer dramatischen Hintergrundgeschichte ebenfalls sehr formelhaft, fast wie eine Symbiose aus den Figuren Saga („Die Brücke“) und Sarah Lund („Kommissarin Lund“). Die Rolle passt zur burschikosen Belgierin Stéphanie Blanchoud, so wirklich warm werden will man mit ihrer Figur aber nicht.
Die ständigen Visionen Chloés von ihrer Schwester machen ihr Trauma ein bisschen zu plakativ sichtbar. Diese Mystery-Elemente stellen wohl den Versuch dar, dem Schema F noch eine gewisse eigene Note hinzuzufügen. Doch das Stilmittel nutzt sich schnell ab. Die redundanten Szenen bremsen die ohnehin sehr gemächlich erzählte Geschichte weiter aus.
Erst zur Mitte der Staffel nimmt „Public Enemy“ an Fahrt auf und stellt eine wichtige Verbindung zwischen Chloé und dem Kindermörder her. Als diabolischer und hochintelligenten Meister der Manipulation ist Béranger der mit Abstand spannendste Charakter der Serie und erinnert ein wenig an Hannibal Lector. Der charismatische Schauspieler Angelo Bison („Resistance“) war genau die richtige Wahl für die Rolle. Sein überzeugende Leistung lässt auch die zahlreichen zähen Momente in „Public Enemy“ überstehen.
Am Ende der zehn Folgen bleiben einige Fragen offen. Doch keine Sorge: Eine zweite Staffel, die vom belgischen Sender La Une bereits angekündigt wurde, verspricht Antworten.
„Public Enemy: Staffel 1“: Veröffentlichung am 25.08.2017 auf DVD und Blu-ray (Polyband / WVG)
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