Man nehme ein "The Walking Dead" ohne Zombies, ein "Under The Dome" ohne Glocke und ein "Les Revenants" ohne Rückkehrer - fertig ist die neue Mysteryserie "The Leftovers". In den USA geht der HBO-Produktion schon die Puste aus. Mehr...
Ist die düster inszenierte HBO-Serie "The Leftovers" der neue Mystery-Hit schlechthin oder etwa doch nur ein Forum für religiösen Kitsch? Zumindest nach Staffel 1 ist ein eindeutiges Urteil darüber noch nicht möglich.
"Lost" war anfangs eine packende Serie, bis sich die Drehbuchautoren im Laufe der Staffeln immer mehr in abstrusen Geheimnissen verloren haben. Die Auflösungen und Erklärungen blieben am Ende aus oder fielen nur sehr unbefriedigend aus. Ein ähnliches Schicksal könnte auch der HBO-Produktion "The Leftovers" drohen - nicht zuletzt, weil einer der "Lost"-Schöpfer seine Finger mit ihm Spiel hat: Damon Lindelof schrieb gemeinsam mit Tom Perotta, dem Verfasser der Romanvorlage, das Skript zur ersten Staffel der neuen Mysteryserie. Diese war hierzulande bislang nur beim Pay-TV-Sender Sky Atlantic zu sehen und ist nun auf DVD und Blu-ray erschienen.
Gleich in der Pilotfolge von "The Leftovers" werden die Zuschauer mit etlichen Rätseln konfrontiert: Zwei Prozent der Menschheit hat sich vor drei Jahren quasi in Luft aufgelöst. Keiner kann das Verschwinden erklären - weder Wissenschaftler und die Behörden noch die Kirche. Die Zurückgebliebenen müssen den Verlust ihrer Lieben hilflos hinnehmen. Wie sehr die Gesellschaft an den merkwürdigen Ereignissen des 14. Oktobers zu zerbrechen droht, offenbart sich in der US-Kleinstadt Mapleton im US-Bundesstaat New York.
Der ehemalige Polizeichef Garvey (Scott Glenn) scheint den Verstand verloren zu haben und wurde in eine geschlossenene Anstalt gesteckt. Nun liegt es an seinem Sohn Kevin (Justin Theroux), der sein Amt übernommen hat, für Recht und Ordnung in Mapleton zu sorgen. Eine echte Herausforderung: Die ominöse Sekte der Schuldig Hinterbliebenen greift die trauernde Bevölkerung immer wieder an - sei es mit provozierenden Aktionen oder einfach nur mit ihrer penetranten Obduktion potenzieller neuer Mitglieder. Bei einer Gedenkfeier kommt es schließlich zu ersten blutigen Auseinandersetzungen.
Die genauen Absichten der Schuldig Hinterbliebenen, die nicht sprechen, nur weiße Klamotten tragen und ständig rauchen, bleiben unklar. So kann es auch Kevin nicht verstehen, dass seine Frau Laurie (Amy Brenneman) ihn und die Kinder verlassen hat, um sich dem Kult anzuschließen. Vor allem ihre pubertierende Tochter Jill (Margaret Qualley) leidet unter der Familiensituation.
Lauries Sohn Tom (Chris Zylka), der aus einer früheren Beziehung stammt, hat sich fernab der Heimat einem Guru namens Wayne (Paterson Johnson) angeschlossen. Dieser gibt vor, die zurückgebliebenen Menschen von ihrem Leid befreien zu können. Ist er wirklich eine Art Prophet oder doch nur ein Hochstapler? Und warum schwängert er gezielt junge Asiatinnen?
Weitere Fragen werfen Kevins ständige Blackouts und Alpträume auf: Immer wieder sieht er beim Joggen einen Hirsch oder bissige Hunde, auf die ein fremder Mann (Michael Gaston) mit seinem Gewehr Jagd macht. Dreht der Polizist etwa genauso durch wie sein Vater? Oder handelt es sich bei seinen Aussetzern um Visionen und er wird dabei von einer anderen Macht gesteuert?
Es fällt in der Welt von "The Leftovers" schwer, noch an einen Gott zu glauben. Pastor Matt Jamison (Christopher Eccleston) macht auch nicht unbedingt Werbung für seine Kirche. Er verteilt überall Flyer über einzelne Verschwundene mit Aufzählung ihrer Sünden und Straftaten. Damit ist Jamison ähnlich beliebt im Ort wie die Schuldig Hinterbliebenen. Die Sekte reißt sich schließlich auch noch Matts Gotteshaus unter den Nagel. Das war es dann wohl mit der Religion in "The Leftovers", oder doch nicht?
Wenn Lindelof und Perotta tatsächlich irgendwann damit beginnen sollten, die Rätsel aufzulösen und all die merkwürdigen Ereignisse zu erklären, könnte die Serie zum religiösen Kitsch par excellence ausarten. Der mit biblischen Motiven bestückte Vorspann von "The Leftovers" könnte das jetzt schon andeuten. Auch der vor Pathos und Dramatik triefende Score von Max Richter wirkt verdächtig.
Vielleicht werden die Zuschauer am Ende aber auch mit all ihren Fragen zurückgelassen. Im Laufe der ersten Staffel gibt es wenige bis gar keine Antworten. Im Zentrum der Handlung stehen die Trauer und die Verzweiflung der Protagonisten und nicht das Wie und Warum des Unerklärlichen. Die ersten drei Episoden lassen sich daher auch viel Zeit, die Hauptcharaktere einzuführen. Ihre Beziehungen zueinander werden dabei erst nach und nach klar.
Die gute Besetzung von "The Leftovers" hilft beim durchaus zähen Einstieg. Vor allem Amy Brenneman und Ann Dowd (als Anführerin der Schuldig Hinterbliebenen) gehen in ihren Rollen so richtig auf. Hollywood-Star Liv Tyler bleibt in einer Nebenrolle dagegen recht blass. Auf jeden Fall will man wissen, wie es mir den Figuren weitergeht, auch wenn zunächst wenig passiert. In der zweiten Hälfte der Staffel ist deutlich mehr Action angesagt und es laufen ein paar lose Ende zusammen. So nähert sich die zunächst unabhängige Storyline um Tom dem Chaos in Mapleton an. Eine Rückblick-Folge beleuchtet zudem die Ereignisse des 14. Oktobers vor drei Jahren aus der Sicht der wichtigsten Charaktere.
Einen überraschenden Twist gibt es zum Staffelfinale übrigens genauso wenig wie einen schockierenden Cliffhanger. Season 1 endet so kryptisch und bedeutungsschwanger, wie sie begonnen hat. Einerseits ist das der gewisse Reiz an "The Leftovers", aber gleichzeitig auch die größte Schwäche der Serie. Die US-Zuschauer scheinen all die ungeklärten Geheimnisse schon mit Desinteresse zu bestrafen: Die Quoten des TV-Dramas sind zum Auftakt der zweiten Staffel Anfang Oktober erschreckend eingebrochen.
HBO dürfte also bereits nach 20 Episoden wieder den Stecker ziehen bei "The Leftovers" - ohne Rücksicht darauf, ob die Geschichte bis dahin zufriedenstellend fertig erzählt wurde. Im Falle eines offenen Endes wird es im Heimkino hoffentlich so viele Extras geben wie auf der ersten Staffelbox: Specials zur Entstehung der Serie und zur Buchvorlage sowie ein Interview mit den Serienschöpfern liefern hilfreiche Erklärungen, Zusammenhänge und Hintergrundinformationen.
Link: www.hbo.com/the-leftovers
Veröffentlichung am 08.10.2015 auf DVD und Blu-ray (Warner Home Video)
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